Welche Auswirkungen kann ein Klimawandel auf die Landwirtschaft haben?
Dr. sc. agr. Dietrich Schulzke, Eberswalde (2011)
Problem
Welche Klimaänderung ist zu erwarten?
- Mit großer Sicherheit kommen wir in eine wärmere Periode.
- Das bedeutet, global gesehen, aus den Weltmeeren verdunstet mehr Wasser, sodass mehr Wasser in der Atmosphäre ist und es mehr Niederschläge geben wird.
- Für die Landwirtschaft in unseren Breiten ist es wichtig zu wissen, wann und in welcher Menge der Niederschlag fällt.
- Die Verteilung der Niederschläge im Jahr kann problematisch sein, wenn Starkniederschläge oder Trockenzeiten in der Vegetationszeit das Wachstum und die Ernte behindern.
Gegen solche natürlichen Veränderungen kann man nur sehr eingeschränkt Vorsorge treffen!
Witterungsextreme haben aber bei dem heute verbreiteten und reduzierten Kulturartenspektrum verheerende Auswirkungen auf die Ertragsbildung, die Erntemenge und die Qualität der Ernteprodukte.
Die Rückkehr zu kleinflächigerem Wirtschaften mit einem breiten Kulturartenspektrum könnte eine gewisse ökologische Stabilität bewirken. Das wird zwar zu ökonomischen Verlusten führen, aber eine angepasste Landwirtschaft ermöglichen.
Die land- und forstwirtschaftliche Forschung versucht die Reaktion und Anpassungsfähigkeit der Kulturpflanzen und der Baumarten in ökologischen Grenzbereichen zu erfassen, um auch das genetische Anpassungspotential unter extremen Bedingungen zu prüfen.
Im Ergebnis dieser Untersuchungen wird sich herausstellen, welche Pflanzen unter den zu erwartenden Klima- und Witterungsränderungen überleben werden und eine wirtschaftliche Zukunft haben.
Lösungsvorschlag
In einem EU-Forschungsprojekt AIR 3 CT94-1296 ist ein Lösungsvorschlag vorgelegt: „Regional guidelines to suppert sustainable landuse by E.U.“ Agri-Environmental Program (AEP)“ – Teilprojekt 2 Brandenburg: „Agrarökologische Gebietsgliederung“ (SCHULZKE, D. 1998).
Die Kriterien zur Abgrenzung der Gebiete voneinander sind Klima- und Witterungsdaten sowie der ökologische Komplex der Ertragsbildung vom Winterweizen. (Abb. 1 und Abb. 2)
Diese Gebietsgliederung ist auf fünf Ebenen hierarchisch miteinander verbunden. Im Einzelnen sind sie nach den Kriterien der biologischen Statistik „Ökologische Grundgesamtheiten“ und mit einem charakteristischen Datensatz versehen. Dazu gehören Merkmale der Jahreswitterung (Temperatur, Niederschlag, Sonnenstunden), der Bodenqualitäten und Qualitäten der Wachstumsabschnitte wie
- Aufgangstermin
- Herbstentwicklung (Feekesstadium zum Wintereitritt, 5°C)
- Winter (Vegetationsruhe)
- Frühjahr I (Feekesstadium zum Frühjahrebeginn, 5°C
- Frühjahr II ( Feekesstadium zum Schossbeginn, 10°C
Die wichtigsten Gebietseinheiten sind die Boden-Klima-Regionen (BKR) und die Landschaftstypen (LP).
Ein dichtes Netz von Wetterstationen und gebietsgenaue Bodenkarten lassen eine regionale Charakterisierung zu.
Dieser regionale komplexe Datensatz ist mit den regional zugeordneten Ernteerträgen verbunden. Die Datengrundlage bezieht sich auf 100jährige Wetterdaten für Westeuropa und auf Ertragsstatistiken der Länder und Landkreise (eingeschränkt) im gleichen Zeitraum. Daraus ist ein Ertragbildungsmodell für den Winterweizen, die Wintergerste und den Winterrogen abgeleitet worden das über 20 Jahre retrospektiv und aktuell getestet wurde (Abb. 5) (SCHULZKE, D. 1986a,b).
In den agrarökologischen Gebietseinheiten bestehen definierte ökologische Rahmenbedingungen die für beliebige Kulturpflanzen besonders günstig sind oder den Anbau ausschließen. Hier bietet sich ein breites Betätigungsfeld für weitere Forschungen
Das Modell
Das Modell gehört in die Gruppe der dynamischen Modelle (Abb.1, Abb.2, Abb.3). Die einzelnen Module sind aktuelle Daten der Witterung und des Wachstums. Dazu kommen zwei Konstanten für das Klima und den Boden sowie eine Variable (Vi) für die Intensivierung; sie sind dimensionslos.
- Die Klimakonstante gilt für die jeweilige Getreideart in einer bestimmten Boden-Klima-Region (BKR).
- Die Bodenkonstante erfasst die bodenbezogene Anbaueignung der jeweiligen Getreideart. Sie ist in allen BKR gleich (Abb.4)
Beide Konstanten sind relativ stabil. Stabil bedeutet beim Klima, dass die Verhältnisse der vergangenen 100 Jahren für den Getreideanbau erfasst sind. Klimaänderungen würden diese Konstante verändern. Die Bodenkonstante kann sich verändern, wenn die Bodenfruchtbarkeit durch Wirtschaftsmaßnahmen positiv oder negativ beeinflusst wird.
- Eine Variable (Vi) beschreibt die jeweilige Intensivierungsstufe mit einer Scala von - 0,5 bis 1,5. Damit kann das Anbauverfahren beschrieben und bewertet werden.
Ergebnis
Auf der Grundlage des Modells ist es erstmals möglich regionale jahres- und standort spezifische Ertragstafeln für den „Ökologischen Basisertrag“ abzuleiten. (Abb. 5 ff)
Die Ertragslinien in den Diagrammen gelten für die jeweilige Getreideart auf definierten Bodenqualitäten in einer Boden-Klima-Region (BKR). Die einzelnen Punkte auf den Linien sind reale geerntete Erträge unter jahresspezifischen Witterungsbedingungen, dem „Komplexen Witterungswert“ (WWK). In der Abb. 6 ist die Dynamik des Witterungsverlaufes der letzten Jahrzehnte dargestellt.
Die Amplitude auf der X-Achse gibt die Spannweite möglicher Witterungskonstellationen in den BKR an. Gleichzeitig wird der Einfluss der Witterung auf den standortspezifischen Ertrag deutlich. Es besteht also die Möglichkeit mit dem Modell beliebige Witterungskonstellationen zu generieren und damit Änderungen im Klima und der Witterung zu simulieren.
Die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich hier auf die drei Wintergetreidearten in Europa. Für andere Kulturarten sind weitere Forschungen, mit dem methodischen Ansatz möglich und nötig.
Literatur:
- BEHRINGER, W. (2009): Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung. Deutscher Taschenbuch Verlag. 4. Auflage 2011
- PRINZ of WALES, u.a. Harmonie, Eine neue Sicht unserer Welt (2010): Riemann Verlag 2010.
- SCHULZKE, D. (1988a): Ein Ertragsbildungsmodell für Winterrogen, Wintergerste und Winterweizen auf der Grundlage „Komplexer Maßzahlen“.
In Archiv f. Acker-Pflanzenbau, Bodenkunde, Berlin 32, 1988a, 12 - SCHULZKE, D. (1988b) Eine ökologisch begründete territoriale Gebietsgliederung der DDR für die Wintergetreideproduktion.
In Archiv f. Acker-Pflanzenbau, Bodenkunde, Berlin 32, 1988b, 12 - SCHULZKE, D. (1999): Ein ökologischer Bewertungsansatz für den ländlichen Raum am Beispiel Brandenburger Landschaften.
In Erfassung und Bewertung der Landeskultur. IÖR-Schriften. Hrsg. Ulrich Walz, Dresden 29, 1999 - SCHULZKE, D. (2000): Empfehlung für die Landschaftsentwicklungsplanung in
Brandenburg anhand einer agrarökologischen Gebietsgliederung.
Ergebnisse aus einem EU-Forschungsprojekt. In Beiträge Forstwirtschaft und Landschaftsökologie 34, 2000, 1 - SCHULZKE, D. (2010) Kurfassung der Ergebnisse des EU Forschungsprojektes.